Liebe Genoss*innen, liebe Freund*innen, wir schreiben euch in diesen Zeiten des historischen Widerstands und wollen vor allem noch einmal an alle Freiheitskämpfer erinnern, die ihr Leben für die Verteidigung der Revolution gegeben haben. Wir möchten Ş. Amara Renas, Ş. Dayê Aqîde und Ş. Hevrîn Xalef, die den Willen der kämpfenden Frauen vertreten, sowie Ş. Ceren Güneş aus der Türkei und Ş. Andok Cotkar aus Deutschland, die mit ihrem Leben den Wert des Internationalismus verteidigt haben, gedenken. Wir werden nie all die anderen Tausenden schöner Persönlichkeiten vergessen, die für die Menschheit und gegen die Brutalität des Faschismus und der kapitalistischen Moderne kämpfen. In diesen Zeiten müssen wir uns mehr denn je mit dem Erbe der Gefallenen befassen, es erinnert uns daran, weiter zu kämpfen, uns zu reflektieren und unseren Kampf zu verbessern. Das ist die Wahrheit hinter dem Erfolg unseres Kampfes für Freiheit und Würde.
Grüße an alle Kämpfenden
Wir grüßen all die Kämpfer*innen an vorderster Front in den Reihen der Volks- und Frauenverteidigungseinheiten, die gegen den Angriffskrieg Widerstand leisten, all die Mütter, die für die Versorgung der Kämpfenden sorgen, all die Jugendlichen, die sich mit Steinen und Molotow-Cocktails den Besatzern entgegenstellen, all die Mediziner*innen, die täglich Menschenleben retten, all diejenigen, die weiterhin organisieren, agitieren und mit der Gesellschaft die demokratische Selbstverwaltung und Selbstverteidigung leben lassen, all die Journalist*innen, die den beispielhaften Widerstand der Öffentlichkeit sichtbar machen.
Wir grüßen all diejenigen, die in den staatlichen Gefängnissen, in den Bergen Kurdistans oder auf den Straßen der Metropolen unerbittlich Widerstand leisten.
Wir grüßen auch all die, die in den letzten Wochen auf der ganzen Welt agitiert, organisiert und Aktionen durchgeführt haben. Mit Tausenden von Aktionen, von speziellen Bannertropfen und Massendemonstrationen bis hin zu Aktionen des zivilen Ungehorsams und militanteren Aktionen haben wir die Profiteure dieses Krieges attackiert und ihnen gezeigt, dass wir den türkischen Faschismus und seine internationalen Pläne gegen die Freiheit suchenden Völker nicht mehr akzeptieren werden.
Wir haben ein großes Zeichen internationaler Solidarität gesetzt und der Welt gezeigt, dass wir hinter den Werten und Gefallenen dieser Revolution stehen.
Wir haben auch das Erbe von sieben Jahren Revolution, die 11.000 Menschen das Leben gekostet und mehr als 20.000 Verletzte gefordert hat, und die Ergebnisse vieler Jahre all unserer Bemühungen und des gemeinsamen Kampfes gesehen. Dies haben vor allem die Reaktionen der feministischen, ökologischen und Jugend-Bewegungen gezeigt, die an vielen Orten unter dem Slogan „Alle zusammen gegen den Faschismus“, „Alle gemeinsam gegen das Patriarchat“ und „Lang lebe der Widerstand von Rojava“ täglich auf den Straßen sind. Auch im Iran, Irak, Libanon, Chile, Bolivien und Hongkong sind Menschen im Aufstand gegen das System von Diebstahl, Unterdrückung und Verwertungslogik. Der Angriff auf Nordsyrien ist einer von vielen direkten Angriffen auf uns alle, deshalb werden die Aggressoren auf einen breiten und globalen Widerstand stoßen.
Angriff auf die Philosophie Abdullah Öcalans
Wir möchten auch daran erinnern, dass dieser Krieg nur ein weiterer Schritt der imperialistischen Kräfte ist, zunächst der NATO, die den türkischen faschistischen Staat und seine Dschihadisten gegen die Gesellschaften und die Frauen im Mittleren Osten einsetzt. Grundlage dieses Krieges ist die patriarchale und kapitalistische Mentalität und auch dieser Angriff zielt hauptsächlich auf die Philosophie von Rêber Öcalan und den freien Willen des kurdischen Volkes sowie auf demokratische sozialistische und feministische Werte in der ganzen Welt ab.
Als die kurdische Befreiungsbewegung nach dem Zusammenbruch des Realsozialismus ihren Kampf mit einem neuen Paradigma des Sozialismus fortsetzte und erst recht nach der unerwarteten Revolution in Rojava mit der Vorreiterrolle der Frauen wurde die Welt der Kapitalisten, die doch das Ende der Geschichte erklärt hatten, ernsthaft erschüttert. Während die Staatskräfte das Licht am Ende des Tunnels geblendet von ihren schmutzigen Profitinteressen nicht sehen können, ist Rojava zu einem leuchtenden Licht der Basisdemokratie, der Freiheit der Frau und der sozialen Ökologie geworden.
Liebe FreundInnen, wir, die heute als Internationalist*innen in Mesopotamien Schulter an Schulter mit unseren arabischen, kurdischen, armenischen und Suryoye-Freunden für die Sache der Freiheit einstehen, spüren wirklich, dass wir in diesem existenziellen Widerstand auch stellvertretend für die gesamte Menschheit kämpfen. Die Philosophie Rêber Öcalans und die Praxis der kurdischen Befreiungsbewegung sowie die demokratisch-konföderale Revolution in Nordsyrien sind zur Stimme der unterdrückten Gesellschaften des Mittleren Ostens geworden. Die Legitimität dieses Kampfes steht heute nicht mehr zur Diskussion. Mit dem Krieg gegen den IS stiegen unter der Vorreiterrolle der Frauenbewegung neue Maßstäbe von Freiheit und Würde empor, die gleichzeitig die westliche Heuchelei von Demokratie, Menschenrechten und Frieden vor aller Welt bloßgestellt haben.
Die Maske der profitgierigen, mörderischen und zerstörerischen Illusionen der Herrschenden wurden niedergerissen und die ganze Welt erblickt ihre krächzende Hässlichkeit. Hier versuchen wir unser Bestes, um die Schönheit einer Gesellschaft im Widerstand und Selbstbestimmung mit der Welt zu teilen.
Im Bewusstsein der feindlichen Realität leben
Die Realität des Feindes ist jedoch etwas, das wir niemals unterschätzen sollten. So wie in dieser Phase die widerständigen Gesellschaften etwas zusammengerückt sind, haben sich auch die staatlichen Kräfte vereint und jeder und jedem eine besondere Rolle in ihrem Krieg gegen die Gesellschaft zugeteilt. Als eine revolutionäre Bewegung sind wir gezwungen, alle unsere Schritte in Anbetracht und Kenntnis des Feindes zu tätigen, entsprechend dieses Bewusstseins zu atmen, zu leben, sich zu reflektieren und zu kämpfen. Ohne die Realität des Feindes zu kennen, werden all unsere revolutionären Versuche stets mangelhaft und erfolglos bleiben. Daher ist es eine grundlegende Verantwortung, den Feind richtig zu analysieren, seine nächsten Schritte zu berechnen und dementsprechende Vorbereitungen zu treffen und den Feind ins Leere laufen zu lassen. Deswegen werden wir 24 Stunden am Tag in Gewissheit der feindlichen Angriffe leben und dementsprechend ohne Pause unsere Arbeit, unsere revolutionäre Haltung und unser Tempo verbessern und unseren Widerstandsgeist unter Beweis stellen. So sagen wir: Keinen Fußbreit den Faschisten, wir werden kein Platz für euch auf dieser Erde lassen.
Doch heute befinden wir uns weltweit und besonders hier in Kurdistan mit diesem Feind in einem riesigen Krieg. Dieser Krieg ist nicht nur militärischer Art. Gegen unseren Kampf für Würde und Freiheit wird ein allseitiger Vernichtungskrieg geführt. Es finden heftige militärische, kulturelle, soziale, ökonomische und psychologische Angriffe statt. Es ist ein Krieg, der nicht nur, aber besonders durch die NATO angeführt wird. Die Aufgabe der NATO war schon immer und ist auch heute einzig und allein die Bewahrung westlicher, kapitalistischer Interessen und die Zerschlagung kommunistischer, sozialistischer und fortschrittlicher Bewegungen in aller Welt. Wie die NATO auch im 20. Jahrhundert ausnahmslos jedes faschistische Putsch-Regime gestützt hat, steht sie auch heute wieder hinter dem Erdogan-Regime.
Der türkische Faschimus versucht von Bakûr (Nordkurdistan) bis Rojava, von den Medya-Verteidigungsgebieten bis Mexmûr und Sengal anzugreifen. Ihr Anführer Erdogan hat sich geschworen, mit seinen neo-osmanischen Träumen von Afrin bis Bradost alle Regionen Kurdistans zu besetzen. In vielen Städten herrscht immer noch Ausnahmezustand, nachdem hunderte Zivilist*innen im Städtewiderstand 2016 massakriert und in Kellern verbrannt wurden. Insbesondere mit geheimdienstlichen Methoden und militärischer Hochtechnologie versucht die türkische Armee die Guerilla zu schlagen, welche den türkischen Staat in Angst und Schrecken versetzt und der Bevölkerung den Mut zum Widerstand gegen den Faschismus verleiht. Die systematischen Kriegsverbrechen und Angriffe auf zivile Infrastruktur und gezielte Hinrichtungen sowie Bombenanschläge durch Unterstützung von IS-Schläferzellen im aktuellen Angriffskrieg auf Rojava zielen darauf ab, die Bevölkerung zur Flucht zu drängen und dabei eine ethnische Säuberung und einen demografischen Wandel durchzuführen.
Den Werten der Frauenfreiheit wird die Scharia entgegengesetzt
Besonders Frauen sind Ziel der Angriffe des kapitalistischen Systems, wovon die Gräueltaten des IS nur die brutalsten Beispiele sind. Mit der gezielten Ermordung und Vergewaltigung der organisierten Frauen Rojavas wird versucht, die gesamte Gesellschaft zu brechen. Den Werten der Frauenfreiheit wird die Scharia entgegengesetzt.
Auch die kulturellen Angriffe halten an. Die kurdische Sprache, Lieder und Tänze, die Geschichte Kurdistans werden verleugnet und verboten. In Hasankeyf wird 12.000 Jahre alte kurdische Kultur versenkt, in Afrin Kulturerbe vernichtet oder verkauft und das historische Sûr in Amed wurde dem Erdboden gleich gemacht. Und auch der Völkermord an den Armenier*innen, Ezid*innen und Suryoye von vor 100 Jahren wiederholt sich heute genau in der Region, in die die Überlebenden von damals geflohen sind. Die ältesten Völker und Kulturen der Menschheitsgeschichte sollen ausgelöscht werden, um Islam und Neoliberalismus Platz zu machen. In den Bergen Dersîms werden Wälder abgebrannt und Raubbau betrieben, tausende Staudämme haben die Natur völlig zerstört und die Bevölkerung von Rojava ohne Wasserzugang gelassen. Der Krieg mit seinen Milliarden Tonnen von Sprengstoff und chemischen Kampfstoffen hat die gesamte Region verseucht. Wo auch immer die Hände des Faschismus hinreichen, werden alles an kurdischer Kultur und ein einst intaktes Ökosystem geplündert und ausgeraubt.
Tausende politische Gefangene befinden sich im Gefängnis, überall werden mafiöse Zwangsverwaltungen eingerichtet, das Wahlrecht ist praktisch außer Kraft gesetzt und die Demokratische Partei der Völker (HDP) steht kurz vor dem Verbot. Öffentliche Personen, die den Krieg nicht unterstützen, werden drangsaliert und wer sich für Frieden ausspricht, wird inhaftiert. Alle Medienanstalten sind staatlich gleichgeschaltet und der nationale Bildungsplan führt jetzt den Dschihad statt Evolutionslehre. Und die wirtschaftliche Krise, intensiviert durch die kriegerische Politik, treibt zahlreiche Menschen und ganze Familien in den Suizid.
Die Besatzung findet in ganz Kurdistan statt
Wichtig ist es dabei noch einmal zu wiederholen, dass der türkische Staat die gleiche Politik wie in Rojava auch in Bakur (Nordkurdistan) führt. Die Besatzung von Rojava findet auch in Bakur und Başur (Südkurdistan) statt. Daher sollten wir unseren Widerstand nicht nur auf Rojava konzentrieren, sondern einen Fokus auf die Zerschlagung des türkischen Faschismus in Bakur und der Türkei legen, um eine Lösung zu finden. Wenn der Vernichtungsfeldzug gegen demokratische Kräfte und besonders die kurdische Gesellschaft in Bakur gestoppt wird, bedeutet dies auch Massaker in den anderen Teilen Kurdistans zu verhindern. Umgekehrt führt fehlender Widerstand zur Stärkung des Faschismus und Intensivierung der Angriffe auf die anderen Teile. Um die Bedrohung gegen Rojava und Başur abzuwenden, muss gegen die Angriffe in Bakur vorgegangen werden. Da kann auch der Widerstand in Europa eine große Rolle spielen.
Die Quelle von Kraft und Glaube einer jeden revolutionären Bewegung ist die Gesellschaft, dies ist insbesondere für das kurdische Volk der Fall. Revolutionäre, die sich nicht auf die Kraft der Gesellschaft stützen, werden marginalisiert oder gänzlich scheitern. Daher ist die Gesellschaft die Lokomotive der Revolution und gleichzeitig ist die Revolution immer die Errungenschaft der Gesellschaften. Da der faschistische türkische Staat dies genau weiß, versucht er mit allen erdenklichen Methoden die Revolution zerschlagen, Angst und Schrecken zu verbreiten und mit purer Gewalt oder anderen Methoden die Gesellschaft zu zersplittern und zum Gehorsam zwingen. Der Faschismus will jeden freien Atem der Bevölkerung unterdrücken und ihr das Gefühl geben, dass niemand ihm widerstehen kann. Jeglicher Glauben und Hoffnung soll zunichtegemacht werden. Sein Ziel ist es, eine Psychologie der Niederlage und der Unterwerfung zu verbreiten und die Legitimität seiner Herrschaft in den Köpfen der Menschen zu festzusetzen. Mit Repression und Vereinzelungspolitik werden der gesellschaftliche Geist, revolutionäre Gefühle und Widerstand konsequent bekämpft. Gleichzeitig versucht der türkische Staat, seine von Profitgier, Plünderung, Ausbeutung, Massaker, Vergewaltigung und Völkermord geprägte Realität mit den heuchlerischsten, manipulativsten, schmutzigsten und unethischsten Spezialkriegsmethoden vor aller Welt zu verstecken.
Grundlage des dritten Weltkriegs
Die Liste an würdelosen Schandtaten der türkischen Republik und der kapitalistischen Mentalität, die dahinter steht, ist unendlich lang. Nicht ohne Grund war ihr Gründer Kemal Atatürk und seine Politik großes Vorbild für faschistische Führer wie Hitler, Mussolini und Franco. Nicht ohne Grund unterstützen auch heute autoritäre Regierungsführer und profitgierige Staaten seinen Erben Erdogan. Die Aussage von Donald Trump, die PKK sei schlimmer als der IS, oder von Heiko Maas, die Türkei sei ein wichtiger Verbündeter, zeigen ganz klar, wer auf welcher Seite steht. Der IS wird vom türkischen Staat selbst am Leben gehalten und unterstützt, welcher wiederum NATO-Partner ist. Die ganze Welt weiß dies heute. Nun bleibt es der Welt selbst überlassen, eine Lehre aus dem Faschismus des 20. Jahrhunderts zu ziehen und sich dem internationalen Komplott entgegen zu stellen. Hier konkretisiert sich der Kampf zwischen kapitalistischer Moderne und demokratischer Moderne, den Rêber Öcalan als Grundlage des heutigen dritten Weltkriegs im Mittleren Osten ansieht.
Doch zu denken, der Krieg begrenze sich nur auf den Mittleren Osten und in westlichen Ländern herrsche Frieden, wäre ein großer Trugschluss. Wenn eine Gesellschaft sich nicht anhand ihrer eigenen ethisch-politischen Institutionen selbst verwalten kann, dann bedeutet dies moralisch-gesellschaftliche Entfremdung und politische Fremdbeherrschung. Da dies nur durch Staat, Macht und Gewalt durchgesetzt werden kann, bedeutet dieser Zustand Krieg gegen die Gesellschaft. Das einzige, was der Gesellschaft übrig bleibt, ist legitime Selbstverteidigung. Frieden kann nur wahre Bedeutung durch Selbstverteidigung finden, alles andere ist Kapitulation und Unterwerfung. Ein Frieden ohne Selbstverteidigung, den der Liberalismus heute den Völkern und Gesellschaften aufzwingen will, insbesondere das Theaterstück von „Stabilität und demokratischer Konfliktbewältigung“, ist letztendlich nichts anderes als die Kaschierung der einseitigen Herrschaft der bis unter die Zähne bewaffneten bürgerlichen Klasse und Kolonialmacht.
Durch die Führungsmethode der Biomacht versucht die kapitalistische Moderne ihre Hegemonie zu behaupten und auszubauen. Diese Methode stützt sich nicht nur auf die Ausbeutung des gesellschaftlichen Mehrwerts durch die industrielle Produktion, sondern zielt darauf ab, alle gesellschaftlichen Lebensbereiche in Quellen der Kapitalakkumulation zu verwandeln. Das Leben selbst wird zur Ware, der Logik des Kapitals unterworfen und der Gesellschaft eine individualistische und egoistische Lebensweise aufgezwungen. Das System erschafft eine konsumorientierte anti-kommunale Kultur und durch eine liberale Lebensführung erzwungenen Karrierismus und Opportunismus. Alle Menschen befinden sich im Konkurrenzkampf miteinander. Gleichzeitig schafft es der Kapitalismus, die Feindseligkeit gegen den eigentlichen Unterdrücker im Liberalismus verschwimmen zu lassen.
Das Wort Frieden wurde derartig missbraucht, dass der türkische Staat seinen Angriffskrieg sogar „Friedensquelle“ nennt und auch USA und EU sprechen ständig von Friedenseinsätzen, doch wo sie auftauchen, stiften sie das genaue Gegenteil, Krieg und Chaos. Der Irakkrieg, der im Namen von Demokratie und Frieden stattfand, brachte 1,5 Millionen Menschen den Tod und war Nährboden für den „Islamischen Staat“. Daher ist für uns ein richtiges Verständnis eines würdevollen Friedens essentiell. Nur ein freies Kurdistan in einem demokratischen Mittleren Osten kann den Völkern ein Leben mit Vielfalt von Identitäten, demokratischer Autonomie und Freiheit der Frau garantieren. Diese wird nicht von Staaten gewährt, sondern durch gesellschaftliche Selbstorganisierung geschaffen und durch demokratische Politik erkämpft. Rojava ist das beste Beispiel dafür.
Der Kampf mit der eigenen Persönlichkeit
Liebe Freund*innen, diesen Krieg in den Kampf um unsere Befreiung zu überführen, wird nicht einfach sein und sicher viele Opfer und Mühe verlangen. Die Menschen hier jedenfalls wollen die Welt der Herrschenden nicht mehr weiter so hinnehmen und beteiligen sich auf verschiedenste Weise am revolutionären Volkskrieg. Es liegt nun also an uns, eine Entscheidung zu treffen. Wir sagen, entweder ein Kampf für Leben in Freiheit und Würde oder kein Leben.
Für uns als Revolutionär*innen fängt dieser Kampf mit der eigenen Persönlichkeit an und fordert eine radikale Haltung von uns: Eine Persönlichkeit, die in dieser Situation einen klaren Kopf behält, sich täglich selbst reflektiert, immer auf der Suche bleibt, mit Leidenschaft und Neugier voranschreitet, sich gegen die Angriffe der liberalen Lebensweise verteidigt und bis zum Ende beharrlich für eine Lösung kämpft und dabei alle mit sich reißt. Die politische Weltlage und unser Paradigma richtig zu verstehen, unsere Organisation weiterzuentwickeln, die richtige Sprache, die richtige Form der Überzeugung – und in diesem Sinne unser Leben richtig zu organisieren. Wenn wir uns diesbezüglich um eine gute Praxis bemühen und auch die Anstrengungen unserer Freundinnen und Freunde und der Gefallenen die richtige Bedeutung geben, werden wir alles umsetzen können, was die Situation von uns verlangt.
Wir sind überzeugt, dass eine der wichtigsten Verantwortungen darin besteht, die Schriften und Ideen Rêber Öcalans, die ein klare Lösung der kurdischen Frage und eine globale Demokratieperspektive repräsentieren, zu verbreiten. Dies bedeutet auch eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Paradigma der am weitesten fortgeschrittenen revolutionären Kraft und anderen fortschrittlichen Kräften und kämpferischen Gesellschaften über Potential und Gefahr der aktuelle Situation und die Rolle des Internationalismus voranzubringen. Es gilt eine Wahrnehmung dieses Moments der Freiheit zu gewinnen, in dem wir uns dafür entscheiden können, selber zur bewussten Kraft in diesem laufenden Krieg zu werden. Das große Netzwerk, das durch die internationale Verbreitung der Erfahrungen in Kurdistan und weltweit entstanden ist, kann zu einem neuen internationalistischen Bündnis ausgebaut werden.
Wenn wir wirklich die Fesseln des Feindes sprengen wollen, wenn wir zu einer Kraft werden wollen, die in der Lage ist, auf die Angriffe eines globalen Herrschaftssystems reagieren zu können, brauchen wir starke Verbündete und eine tiefe internationale Organisierung. Das Chaos des Mittleren Ostens und die gesellschaftliche Krise des Westens machen die Wahrnehmung des Kampfes für ein würdevolles Leben wichtig. Durch ideologische Bildungsarbeit, neue organisatorische Verbindungen und die diplomatische Verteidigung der Revolution in Kurdistan und anderswo kann eine neue demokratische sozialistische Kraft entstehen. Wir sehen schon heute, dass sich der widerständische Geist Kurdistans verbreitet, Wurzeln schlägt und Antrieb selbstbewusster gesellschaftlicher Kräfte ist.
Widerstand ist Leben
Für jede Kommune, die durch die Angriffe zerstört wird, werden wir uns in vielen neuen Kommunen organisieren. Für jede zerstörte Kooperative werden wir uns mit vielen neuen Kooperativen selbstversorgen. Für jeden Rat, den sie zerstören, werden wir in neuen Räten zusammenkommen und uns selbstverwalten. Für jede zerstörte Akademie werden wir neue Akademien entstehen lassen und uns selbst weiterbilden. Es ist Selbstbestimmung, Demokratie und die Einheit der Vielfalt, also die Essenz der Gesellschaft, gegen die sie ihren Krieg führen. Mit der Vorreiterschaft der Frauen- und Jugendbewegung hat sich der Geist des Demokratischen Konföderalismus längst global ausgebreitet und ist zur Hoffnung der Völker geworden. Sie mögen uns töten können, doch die Hoffnung werden sie niemals aufhalten.
Die Erinnerung an die Internationalen Brigaden in Spanien und der Strom von Internationalist*innen nach Lateinamerika in den siebziger und achtziger Jahren ist unter den freiheitlichen Kräften Europas noch lebendig. Die Teilnahme am Widerstand in Kurdistan ist auch Aufgabe und Verantwortung der Jugend Europas und andernorts. Für die Verteidigung der Revolution von Rojava und der
Demokratischen Föderation Nord und Ostsyrien gaben viele Internationalist*innen ihr Leben. Die von ihnen geschaffene Werte zu verteidigen und die Fortführung ihres Kampfes ist unsere Verantwortung.
Nieder mit dem türkischen Faschismus! Lang lebe die internationalistische Solidarität! Widerstand ist Leben!