Wir schreiben diese Broschüre im Herbst, der Zeit des Wandels und der Lieblingsjahreszeit von Şehîd Bager Nûjiyan. Eine alte Zeit geht vorbei, um einer neuen zu weichen. Şehîd Bager ist am 14. Dezember 2018 durch einen Drohnenangriff des türkischen Staats in den Medya-Verteidigungsgebieten zum Märtyrer geworden. Wenn wir in der kurdischen Freiheitsbewegung unseren Märtyrern gedenken, also denen, die ihr Leben für den Freiheitskampf gegeben haben, geben wir unser Versprechen, dass wir sie rächen werden. Wir sind eins, untrennbar voneinander.
Wenn eine Freundin, ein Freund fällt, ist das für uns wie ein Blatt, das vom Baum fällt. Es fällt und wird zu neuer Erde, zur neuen Grundlage für den Baum, für einen neuen Aufschwung, noch stärkere Äste. Der Baum wächst unaufhaltsam. Die Gewissheit, dass alles in uns nach Leben strebt, ist ohne Zweifel.
Wer war Şehîd Bager? Wir haben ihn nicht persönlich kennengelernt, genau wie ein großer Teil der Jugendbewegung ihn nicht kennengelernt hat. Als er Europa verlassen hat, waren wir Kinder oder haben in der Schule angefangen, uns zu politisieren. Als wir die kurdische Bewegung kennengelernt haben, war er schon mehrere Jahre gefallen. Trotzdem haben wir doch durch ihn die Bewegung kennengelernt. Vielleicht sehen wir zuerst sein Gesicht, auf Veranstaltungen, in Büchern, Broschüren, als Foto bei FreundInnen. Vielleicht hören wir zuerst eine Geschichte von ihm, eine Erinnerung an einen Moment, den eine Freundin mit ihm verbracht hat, oder wir hören von seinen Analysen, die dann unsere Weltsicht formen. Viele von uns bekommen die Broschüre mit seinen Texten zwischen die Finger, die auch ihr jetzt in den Händen haltet.
Die Texte, die wir hier noch einmal veröffentlichen, sind seine Gedanken aus den Bergen, seine Briefe an Freundinnen und befreundete Bewegungen, Erinnerungen seiner Freunde. Zur ersten Auflage der Broschüre haben wir ein Interview mit einer alten Freundin von ihm hinzugefügt und eine Mail, die er aus Rojava nach Europa geschrieben hat, um denen, die dort kämpfen, eine Perspektive zu geben. Seine Gedanken gehen weiter um die Welt.