Statement zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen

Am heutigen Tag grüßen wir – die Frauen aus der internationalistischen Kommune Rojava – alle Frauen weltweit, die tagtäglich gegen die patriarchale Unterdrückung und Gewalt auf die Straße gehen und zusammen dagegen kämpfen. Wir stehen Schulter an Schulter und sehen diesen Kampf als einen gemeinsamen. Der Kampf um die Befreiung der Frau ist ein internationaler und als solchen müssen wir diesen Kampf auch begreifen und führen. Um es mit den Worten von Audre Lorde zu sagen: „Solange auch nur eine Frau nicht frei ist, kann ich nicht frei sein.“

Jede Gewalt, die gegenüber einer oder mehreren Frauen ausgeübt wird, ist Ausdruck der systematischen Unterdrückung der Frau weltweit. Zwar hat diese Gewalt und Unterdrückung verschiedene Gesichter und drückt sich in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich aus. Doch Gewalt gegenüber einer Frau ist nicht privat sowie stellt keinen Einzelfall dar, sondern ist Teil der patriarchalen Struktur, die tief in der Grundstruktur und der Ideologie des Kapitalismus verwurzelt ist. Darum ist der Kampf gegen Gewalt an Frauen ein revolutionärer Kampf. Es geht darum diese Struktur und Denkweise der Gesellschaft langfristig zu verändern. Dabei ist es wichtig, eben nicht nur deutlich zu machen gegen was wir kämpfen, sondern auch, wofür wir kämpfen und genau diese Alternativen aktiv aufzubauen.

Ein Teil dieses Aufbaus, ein Teil dieser Alternativen, finden bereits hier in Rojava statt. Die Frauenrevolution ist eine der stärksten Kräfte, die den Prozess in Rojava vorantreibt. Mit Jinwar wird beispielsweise ein Dorf nur für Frauen aufgebaut, indem sie leben, sich bilden, ihre eigene Ökonomie aufbauen. Sie geben sich gegenseitig einen autonomen Raum, frei von der Gewalt und der Unterdrückung der Männer. In diesem Sinne grüßen wir auch die Freundinnen in Jinwar die den 25. November heute mit der Eröffnung des Dorfes begehen.
Teil der Alternative ist ebenso die Jineologie. Als Wissenschaft der Frau ist sie der Versuch, eine Wissenschaft aus der Perspektive der Frauen aufzubauen. Für die Frauenbefreiung ist es wichtig, die Geschichte und die Rolle der Frau in der Gesellschaft sichtbar zu machen und daran zu forschen, denn diese Geschichte wurde jahrhundertelang unterdrückt, vernichtet und vergessen.
Auch das Justizsystem wird in Rojava radikal verändert. Anstelle von männlichen Polizisten und bürgerlichen Richter gibt es hier die kommunalen Gerechtigkeitskomitees. Die Frauen dort sind die ersten Ansprechpersonen, wenn es zu Gewalt in Familie, Ehe oder Nachbarschaft kommt. So werden die gesellschaftlichen Konflikte kollektiv gelöst und die Frauen haben darin die führende Rolle. Bei der Problemlösung geht es dann auch nicht primär um Bestrafung, sondern darum, dass das Verhalten und Bewusstsein der Menschen durch Bildung langfristig verändert wird. Das sind konkrete Beispiele, wie die Frauen hier in Rojava ihre Realität verändern.

Es ist klar, die Befreiung der Gesellschaft kann nicht ohne die Befreiung der Frau stattfinden.
Solange die Frauen nicht frei sind, kann die Gesellschaft nicht frei sein. An der Situation der Frau können wir auch die allgemeine Situation der Gesellschaft ablesen. Ist eine Frau unterdrückt, ist die ganze Gesellschaft unterdrückt. Deshalb fordern wir die Anerkennung der Zentralität des Kampfes um die Befreiung der Frau.

Eine autonome Organisierung der Frauen innerhalb der revolutionären Bewegungen weltweit ist nötig. Damit kann die notwendige Kraft und Stärke entwickelt werden, wodurch mit unserer Befreiung auch die ganze Gesellschaft radikal verändert wird. Es braucht einen internationalistischen Frauenkampf, der die Unterschiede anerkennt und die Gemeinsamkeiten so zu stärken weiss, dass wir zusammen dieses System überwinden können.

Wir wünschen allen kämpfenden Frauen weltweit viel Erfolg und wünschen uns allen die Motivation und Leidenschaft, diesen Weg gemeinsam zu beschreiten.

JIN, JIYAN, AZADI

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