In Gedenken an Ş. Ulrike Meinhof

Heute gedenken wir Şehid Ulrike Meinhof, die am 09. Mai 1977 tot in ihrer Zelle aufgefunden wurde.

Şehid Ulrike wurde am 07. Oktover 1934 geboren und war ein Mitglied der ersten Generation der RAF (Rote Armee Fraktion), eine Bewegung die in Deutschland von den 70ern bis in die 90er nach dem Prinzip der Stadtguerilla einen bewaffneten Kampf gegen den Imperialismus geführt hat. Wir wollen kurze Ausschnitte aus communiqués der RAF teilen, in denen ihre Motivation, die damalige Situation der Gesellschaft und die Ziele der RAF zum Ausdruck kommen.

„Die Guerilla – nicht nur hier, das war in Brasilien, in Uruguay, auf Kuba und für Che in Bolivien nicht anders – kommt immer aus dem Nichts, und die erste Phase ihres Aufbaus ist die schwierigste;

insofern die Herkunft aus der vom Imperialismus prostituierten bürgerlichen Klasse und der von ihm kolonisierten proletarischen Klasse nichts hergibt, was in diesem Kampf zu gebrauchen wäre. Man ist eine Gruppe von Genossen, die sich entschlossen hat zu handeln, die Ebene der Lethargie, des Verbalradikalismus, der immer gegenstandsloser werdenden Strategiediskussionen zu verlassen, zu kämpfen. Aber es fehlt noch alles – nicht nur alle Mittel; es stellt sich auch jetzt erst heraus, was einer für ein Mensch ist. Es stellt sich das Metropolenindividuum heraus, das aus den Fäulnisprozessen, den tödlichen, falschen, entfremdeten Lebenszusammenhängen des Systems kommt – Fabrik, Schreibtisch, Schule, Universität, revisionistische Gruppen, Lehre und Gelegenheitsjobs. Es zeigen sich die Auswirkungen der Trennung von Berufs- und Privatleben, der Arbeitsteilung in geistige und körperliche Arbeit, der Entmündigung in hierarchisch organisierten Arbeitsprozessen, die psychischen Deformationen durch die Warengesellschaft, der in Fäulnis und Stagnation übergegangenen Metropolengesellschaft.

Aber das sind wir, da kommen wir her: die Brut aus den Vernichtungs- und Zerstörungsprozessen der Metropolengesellschaft, aus dem Krieg aller gegen alle, der Konkurrenz jeder gegen jeden, des

Systems, in dem das Gesetz der Angst, des Leistungsdrucks herrscht, des einer-auf-die-Kosten-des-andern, der Spaltung des Volks in Männer und Frauen, Junge und Alte, Gesunde und Kranke, Ausländer und Deutsche und der Prestigekämpfe. Und da kommen wir her: aus der Isolation im Reihenhaus, in den Betonsilos der Vorstädte, den Zellengefängnissen, Asylen und Trakts. Aus der Gehirnwäsche durch die Medien, den Konsum, die Prügelstrafen, die Ideologie der Gewaltlosigkeit; aus der Depression, der Krankheit, der Deklassierung, aus der Beleidigung und Erniedrigung des Menschen, aller ausgebeuteten Menschen im Imperialismus. Bis wir die Not jedes einzelnen von uns als Notwendigkeit der Befreiung vom Imperialismus, als Notwendigkeit zum antiimperialistischen Kampf begriffen haben und begriffen, daß es mit der Vernichtung dieses

Systems nichts zu verlieren, im bewaffneten Kampf aber alles zu gewinnen gibt: die kollektive

Befreiung, Leben, Menschlichkeit, Identität; daß die Sache des Volkes, der Massen, der Fließbandarbeiter, der Lumpen, der Gefangenen, der Lehrlinge, der untersten Massen hier und der

Befreiungsbewegungen der Dritten Welt unsere Sache ist. Unsere Sache: bewaffneter, antiimperialistischer Kampf die Sache der Massen und umgekehrt – auch wenn das erst in einem

langwierigen Prozeß der Entwicklung der militär-politischen Offensive der Guerilla, der Entfesselung des Volkskriegs real werden kann, real werden wird.“

 

Die RAF hatte ein Verständnis von Solidarität, dass uns an das Konzept der hevalti der Kurdischen Freiheitsbewegung erinnert:

„Im Sinne der Revolution ist jeder, der sich solidarisch verhält, wer es auch sei, ein Genosse. Solidarität wird zur Waffe, wenn sie organisiert und konsequent angewendet wird: gegenüber Gerichten, Polizei, Behörden, Vorgesetzten, Spitzeln, Verrätern. Wenn jede Zusammenarbeit mit denen verweigert wird, ihnen keine Mühe erspart, kein Beweis erleichtert, keine Information geschenkt, kein Aufwand abgenommen wird. Zur Solidarität gehört: den Liberalismus innerhalb der Linken bekämpfen, Widersprüche innerhalb der Linken wie Widersprüche im Volk behandeln und nicht so, als seien sie der Klassenwiderspruch. Jede politische Arbeit ist auf Solidarität angewiesen. Ohne Solidarität ist sie der Repression schutzlos ausgeliefert. »Wir müssen nach Möglichkeit unnötige Opfer vermeiden. Alle Menschen in den Reihen der Revolution müssen füreinander sorgen, müssen sich liebevoll zueinander verhalten, einander helfen.«“

Şehid namirin.

Keine Genossin wird jemals vergessen.

Die Gefallenen leben weiter in unserem Widerstand.

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